Samstag, 10. Dezember 2011

Ahkâm Schar'iyya - Warum unterteilt man die Handlungen in helal und haram?

Die Kategorisierung der Handlungen aus islamischer Sicht ist ein wichtiger Bereich der Wissenschaft Usûl al-Fiqh. Wer weiß, nach welchen Prinzipien man jede Handlung eines Muslims nach islamischen Regeln beurteilen kann, hat nützliches Wissen für den Alltag erworben.

Hier gibt es zwei verschiedene Arten der Kategorisierung:
1) Ahkâm schar'iyya (أحكام شرعية)
2) Ahkâm wad'iyya (أحكام وضعية)
Es handelt sich hierbei jedoch nicht um die islamischen Regeln im Gegensatz zu den säkularen - beide Begriffe werden in anderem Zusammenhang tatsächlich so verstanden - sondern um zwei Betrachtungsweisen zur Kategorisierung:
Die Ahkâm schar'iyya kategorisieren die Handlungen hinsichtlich der Frage, wie diese Handlung selbst beurteilt wird.
Die Ahkâm wad'iyya kategorisieren die Handlungen hinsichtlich der Frage der Auswirkung bzw. Konsequenz.

Die Ahkâm wad'iyya sind:
verpflichtend - empfohlen - neutral - unerwünscht - verboten

Die Hanafiten und einige Hanbaliten unterscheiden weiterhin die Pflicht und das Verbot nach der Beweiskraft:
Pflichten, deren Beweis als mutawâtir gilt, nennt man Fard. Wer solche Pflichten wissentlich leugnet, gilt als Nichtmuslim.
Pflichten, deren Beweis âhâd (d.h. nicht mutawâtir) ist, nennt man wâdschib. Wer solche Pflichten aufgrund anderer Beweise ablehnt, ist trotzdem Muslim.
Daher sprechen die Hanafiten von sieben Kategorien:
Fard - wâdschib - mustahabb - halâl - makrûh - makrûh tahrîman - harâm
Fard und Harâm basieren auf Beweisen, die mutawâtir sind, also in jeder Generation von so vielen überliefert wurden, dass eine Einigung auf eine Fälschung auszuschließen ist.
Wâdschib und Makrûh tahrîman sind zwar bindend, basieren aber auf Beweisen, die nicht mutawâtir sind.
Zurück zu den Kategorien der Mehrheit der Gelehrten:
Fard (Pflicht) - mustahabb (Empfehlung) - mubâh (neutral) - Makrûh (Verpöhntheit) - Harâm (Verbot)

Generell lassen sich diese fünf Normen weiter vereinfachen:
Man spricht von Anordnung und Neutralität.
Die Anordnung kann positiv (Befehl) oder negativ (Verbot) sein (positiv hier im Sinne von bejahend, negativ im Sinne von verneinend). Das heißt, Allah fordert auf etwas zu tun (Befehl, Empfehlung) oder Er fordert auf, etwas zu unterlassen (Verbot, Unerwünschtheit).

Die Anordnung kann bindend (Befehl/Verbot) oder nicht bindend (Empfehlung/Unerwünschtheit) sein. Eine Empfehlung ist zum Beispiel nicht bindend, weil man sich nicht daran halten muss.

Demzufolge ist die Pflicht: eine positive Anordnung, die bindend ist.
Oder anders formuliert: Wer die Pflicht ausführt, wird belohnt, wer sie unterlässt, wird bestraft.
Wäre die Pflicht nicht bindend, gäbe es bei Unterlassen keine Strafe (im Jenseits).
Ein Verbot ist: eine negative Anordnung, die bindend ist.
Anders gesagt: Wer das Verbot ausführt, wird bestraft, wer es absichtlich unterlässt, wird belohnt.
Eine Empfehlung ist: eine positive Anordnung, die nicht binden ist.
Anders formuliert: Wer eine Empfehlung ausführt, wird belohnt, wer sie unterlässt, wird nicht bestraft.
Eine verpöhnte Handlung ist eine negative Anordnung, die nicht bindend ist.
Anders gesagt: Wer Verpöhntes ausführt, wird nicht bestraft, wer es absichtlich unterlässt, wird belohnt.
Eine neutrale Handlung wird nicht isoliert beurteilt, sondern im Zusammenhang mit der Absicht, die hinter der Handlung steht:
Essen ist neutral (mubâh), kann aber verboten (Schadstoffe) oder verpflichtend (Lebensrettung) werden.

Samstag, 26. November 2011

Überblick Usûl al-Fiqh

Usûl al-Fiqh ist eine der wichtigsten Grundlagenwissenschaften, die jeder braucht, der die islamischen Wissenschaften studieren will, egal auf welchen Bereich er sich spezialisieren will.

Inhalte
Usûl al-Fiqh beschäftigt sich mit den allgemeinen Regeln, die auf alle islamischen Wissenschaften angewandt werden können.

Das Studium der allgemeinen Normen - دراسة الأحكام الإجمالية
Die Normen bzw. Kategorien werden in zwei Bereiche unterteilt:
Ahkâm schar'iyya (أحكام شرعية): Normen zur Beurteilung der Handlungen des Mukallaf.
Ahkâm wad'iyya (أحكام وضعية): Kausale Normen

Diese Unterteilung betrifft den Geltungsbereich der Normen, die Ahkâm schar'iyya dienen dazu die Taten des Muslims nach islamischen Kriterien zu beurteilen.
Die Ahkâm wad'iyya hingegen beziehen sich auf die Gültigkeit und Auswirkung einer Handlung auf die Beurteilung.
Diese Unterteilung hat nichts mit dem sogenannten hukm schar'i im Sinne des islamischen Rechts um Vergleich zum hukm wad'iy im Sinne des weltlichen säkularen Rechts zu tun.

Die Ahkâm schar'iyya sind:
Pflicht: Fard فرض, wâdschib واجب
Empfehlung: istihbâb استحباب/mustahabb مستحب (auch: masnûn مسنون u.v.m.)
Verbot: Hurma حرمة, harâm حرام (auch: Mahzûr محظور)
Unerwünscht: Karâha كراهة, Makrûh مكروه.
Neutral: Ibâha إباحة, mubâh مباح, halâl حلال.
Die Ahkâm wad'iyyaHier gibt es Normen zur Rechtsgültigkeit und Normen der Auswirkung:
1. Normen der Rechtsgültigkeit
a) Sahîh صحيح: Gültig.
b) Bâtil باطل/Fâsid فاسد: Ungültig.
Die Hanafiten unterscheiden zwischen Fâsid und Bâtil. Sahîh und Bâtil/Fâsid sind also Begriffe, die bezeichnen, ob eine Handlung im Islam gültig ist oder nicht.

2. Normen der Auswirkung
a) Schart شرط: Bedingung.
b) Sabab سبب: Ursache.
c) Ruchsa رخصة: Erleichterung, Erlaubnis.
d) 'Azîma عزيمة: Unabdingbarkeit.
Die Normen der Auswirkung beschreiben das Kausalitätsverhältnis zu den Handlungen: Eine Bedingung hat Auswirkungen auf andere Handlungen. Wer eine Bedingung nicht erfüllt, kann die daran gebundene Handlung nicht ausführen.

Die Quellenlehre
Usûl al-Fiqh beschäftigt sich mit den Quellen, die für die islamischen Wissenschaften zugelassen sind.
Vier Quellen werden von den vier Rechtsschulen und den frühen Muslimen akzeptiert:
Koran, Sunna, Idschmâ' (Konsens der Gelehrten) und Qiyâs (Analogieschluss).
Darüber hinaus gibt es auch weitere Quellen, die jedoch nur eingeschränkt und bei einigen Schulen angewandt werden: die Fatwas der Sahâba, das Recht der Juden und Christen (einige Schiiten), Tradition und Brauch (wenn kein Widerspruch zum Islam existiert), u.v.m.

Die Urteilsfindung - Idschtihâd
Dieser Bereich beschäftigt sich mit der Frage, wer zu den islamischen Handlungen verpflichtet ist, wer diese Handlungen beurteilen kann (i.e. Fatwas geben darf) und wie man die Normen und Quellen anwendet.
Ein Sonderbereich ist die Semantik علم الدلالات
Hier geht es um die konkrete Bedeutung einzelner Grammatischer Fumnktionen (z.B: Befehlsform) und bestimmter Wörter für die Beurteilung einer Tat. Heißt es etwa: "Wahrlich Allah liebt dies oder jenes", so stellt sich die Frage, ob diese von Allah geliebte Tat nun eine Pflicht ist oder eine Empfehlung, und an welchen Wörtern und grammatischen Strukturen ich dies erkennen kann.

Sonntag, 20. November 2011

Einführung in die islamischen Wissenschaften

Das Studium der islamischen Wissenschaften unterscheidet sich in gewisser Weise von der Methodik und dem Aufbau europäischer Studiengänge. Daher ist es angebracht in die islamischen Wissenschaften einzuführen und einen ersten Überblick über die Studiengänge zu verschaffen.
Zunächst ist festzustellen, dass man heute grundsätzlich zwischen zwei Methoden unterscheidet: der klassischen Methode und den modernen Hochschulstudiengängen. Diese zwei Lehrmethoden sollten sich ergänzen, da beide Vor- und Nachteile haben.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Unterteilung der Wissenschaftsdisziplinen.

Man unterscheidet zunächst zwischen Usûl أصول (Grundlagen) und Furû' فروع (Abgeleitete Disziplinen).

1. Die Usûl - die Grundlagenwissenschaften
Diese Disziplinen werden auch 'Ulûm al-Âla علوم الآلة - Hilfswissenschaften - genannt, weil sie dem angehenden Wissenschaftler gleich einem Werkzeug (arab. âla آلة) dienen.
Die Grundlagenwissenschaften muss jeder Tâlib 'ilm (Islamstudent) beherrschen, egal worauf er sich später spezialisiert. Man gilt erst als Tâlib 'ilm, wenn man alle Hilfswissenschaften bei Gelehrten studiert hat.
Diese Hilfswissenschaften sind:
1. 'ilm al-Lugha علم اللغة - Sprachwissenschaft
2. 'Ulûm al-Qurân علوم القرآن
3. Mustalah al-Hadîth مصطلح الحديث ('Ulûm/Usûl al-Hadîth)
4. Usûl al-Fiqh أصول الفقه
5. Al-'Aqîda العقيدة (Usûl ad-Dîn/al-Fiqh al-akbar)

1. 'ilm al-Lugha
Die Sprachwissenschaft, i.e. das Studium des Hocharabischen, ist essenziell, wer das klassische Arabisch nicht beherrscht, ist nicht in der Lage, die islamischen Wissenschaften zu studieren, da er die Quellen und die wichtigste Literatur nicht im Original versteht. Zur Sprachwissenschaft gehört jedoch nicht nur die Grammatik und Morphologie (النحو والصرف), sondern auch Stilistik البلاغة , Lexik علم المعاجم, allgemeine Sprachwissenschaft علم اللغة/فقه اللغة und die Literaturwissenschaft الأدب العربي.

2. 'Ulûm al-Qurân
Die Koranwissenschaften sind unabdingbar, weil sie sich mit der wichtigsten islamischen Quelle und deren Interpretation beschäftigen. Sie beinhalten: Geschichte des Korans تاريخ تدوين القرآن, Inhalt, Stil, Sprache, Aufbau, Lesvarianten القراءات, Abrogation الناسخ والمنسوخ u.v.m.

3. 'Mustalah al-Hadîth
Die Hadithwissenschaft ist wichtig, da sie sich mit der zweiten Hauptquelle der islamischen Wissenschaften beschäftigt: der Sunna. Darüberhinaus befähigt die Hadithwissenschaft zur Beurteilung anderer Überlieferungen. Die Hadithwissenschaft wird in zwei Bereiche unterteilt:
a) 'ilm ar-Riwâya - die Überlieferungswissenschaft
b) 'ilm ad-Dirâya - die Interpretation
Die Überlieferungswissenschaft beschäftigt sich zunächst mit der Kategorisierung der Überlieferungswege دراسة الأسانيد, anschließend mit dem Studium der Gelehrtenbiographien علم الجرح والتعديل und schließlich mit dem vergleichenden Studium der Texte, zunächst nur dokumentarisch علم التخريج und zuletzt kritisch دراسة العلل.

4. Usûl al-Fiqh
Usûl al-Fiqh ist eine der wichtigsten Hilfswissenschaften, da sie sich u.a. mit der logischen Ableitung von Regeln aus den primären Quellen beschäftigt. Zudem behandelt diese Hilfswissenschaft die Quellen - nicht nur des islamischen Rechts, sondern aller islamischer Wissenschaften -, die islamischen Kategorien und Normen zur Beurteilung jedweder Handlung, die Interpretation sprachlicher Phänomene und die selbstständige Urteilsfindung. Somit ist Usûl al-Fiqh mehr als nur eine Rechtsquellenlehre oder Theorie des islamischen Rechts, vielmehr ist es die wichtigste Grundlage zur Beschäftigung mit den islamischen Wissenschaften.

5. Al-'Aqîda
Die Glaubenslehre beschäftigt sich mit der Lehre von den sechs Säulen des Glaubens:
Der Glaube an Allah, die Engel, die Offenbarungsbücher, die Propheten, das Jenseits und die Vorbestimmung القدر. Besonders der erste Bereich, der Glaube an Allah, wird intensiv behandelt:
Man nennt diese Unterdisziplin Tauhîd التوحيد: das Wissen um die Einheit und Einzigartigkeit Gottes sowie die Konsequenzen, die sich aus diesem Wissen ergeben.
Doch beschäftigt sich die 'Aqîda-wissenschaft auch mit anderen Phänomenen:
Die Kunde von den Sekten und Gruppierungen علم الفرق/ أصول الفرق
Die vergleichende Religionswissenschaft دراسة الأديان /الملل

Nachdem sich der angehende Tâlib 'ilm mit diesen Hilfswissenschaften beschäftigt hat, lernt er die sogenannten Furû' - die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen. Zunächst werden diese auf einfachem Niveau in Form von Einführungswerken studiert. (Dieses Studium begleitet das Auswendiglernen des Korans, wenn dies noch nicht geschehen ist.)

2. Die Furû' - die Wissenschaftsdisziplinen:

1. Tafsîr - Koranexegese
2. Fiqh al-Hadith - Hadithexegese
3. Fiqh - Studium der Beurteilung der Handlungen des Muslims ("islamisches Recht")

1. Tafsîr beschäftigt sich mit der Interpretation des Korans, es werden die verschiedenen Methoden des Tafsir und die wichtigsten Werke gelehrt:
quellenbezogene Interpretation, sprachliche Interpretation, Interpretation nach bestimmten Disziplinen (Fiqh, 'Aqîda, etc.), Interpretationsmethoden bestimmter Gruppierung (v.a.: Sufismus, Schia)

2. Fiqh al-Hadith
Diese Wissenschaft beschäftigt sich mit der Interpretation der Hadithe und mit der Studie der einzelnen Hadithwerke, man lernt die Methodik der Verfasser kennen und studiert die Bedeutung der Sunna für die islamischen Wissenschaften.

3. Fiqh
Die Wissenschaft des Fiqh ist nicht nur das islamische Recht. Der erste und wichtigste Bereich beschäftigt sich ausschließlich mit den gottesdienstlichen Handlungen (العبادات). Der zweite Teil (المعاملات) kann hingegen als islamisches Recht bezeichnet werden:
Hier geht es um Vertragsrechtالعقود, Erbrecht الفرائض/المواريث, Strafrecht الجنايات, das Richterwesen القضاء, den Grundbedarf (Lebensmittel, Kleidung, Gefäße), Jagdrecht الصيد, die Schächtung الذبائح u.v.m.
Zunächst studiert man eine Rechtsschule, beschäftigt sich mit deren Termini, Entstehungsgeschichte und den wichtigsten Werken. Erst danach beginnt man die Rechtsschulen zu vergleichen und sich mit dem Fiqh auf Basis der primären Quellen zu beschäftigen.

Wer in den Usûl und den Furû' mindestens ein Buch bei einem Gelehrte studiert und den Quran und eine gewisse Zahl an Hadithen auswendig gelernt hat, gilt als Tâlib 'ilm. Er kann sich nun dem intensiven Studium der einzelnen Disziplinen widmen und sich spezialisieren.

Sonntag, 5. Juni 2011

Die Fiqhschule von Medina

Eine der wichtigsten Schulen des frühen Islams war die medinensische Schule. Sie war wichtig, weil die meisten Sahaba in Medina lebten und ihr Wissen an die folgende Generation weitergaben.
Diese Schule wurde vor allem durch die sieben Fuqaha (unter den Tabi'un - Gefährtenschülern) bekannt:
Urwa ibn Az-Zubair
Sa'id ibn Al-Musayyab
Al-Qasim ibn Muhammad
Charidscha ibn Zaid
Ubaidullah ibn Abdullah ibn 'Utba
Abu Bakr ibn Abdurrahman
Sulaiman ibn Yasar
Die Schule von Medina war zu jener Zeit das Zentrum der Gelehrsamkeit, alle Gelehrten respektierten diese Schule besonders, da in Medina die Prophetengefährten lehrten, die bis zum Tode Muhammads - salla Allah alaih wa sallam - bei ihm waren und genau wussten, welche Regeln zuletzt galten und welche aufgehoben wurden. Zudem heißt es in einem Hadith:
"Es wird bald soweit sein, dass die Menschen in die Lenden der Kamele schlagen (d.h. weit reisen) und keinen Gelehrten finden, der mehr weiß als der Gelehrte von Medina." (Mustadrak 307, 308, Nasa'i as-Sunan al-Kubra 4291, Tirmidhi 2680, Sahih Ibn Hibban 3736, Ahmad 7967) Die meisten Hadithgelehrten sind der Meinung, dass hiermit Malik ibn Anas gemeint sein muss.

Einer der bekanntesten Gelehrten war Rabî'a, der auch Rabî'a ar-Ra'î genannt wurde, weil er zur Schule der Ahl-u-r-Ra'î gehörte. Mâlik lernte von ihm, doch orientierte sich Mâlik eher an Abdurrahman ibn Hurmuz, seinem wichtigsten Lehrer, den er jahrelang begleitete.

Mâlik selbst begann erst Fatwas zu erlassen, nachdem ihm über 70 große Gelehrte aus Medina dazu aufforderten.

Mâlik der Muhaddith (Hadithgelehrte):
Mâlik war für seine Strenge in der Überlieferung bekannt. Er überlieferte ausschließlich von vertrauenswürdigen Gelehrten, daher gilt seine Überlieferung von einer Person als Beweis für deren Korrektheit. Er weigerte sich Hadithe von vertrauenswürdigen Leuten zu überliefern, die die Bedeutung der überlieferten Hadithe nicht genau kannten. Er meinte, dass ein Überlieferer, der den Inhalt der Worte nicht genau kennt, vielleicht unbewusst ein Wort im Hadith mit einem ähnlichen Ausdruck verwechselt, der jedoch zu einer anderen Beurteilung der Sachlage führen könnte.
Mâlik verfasste eines der frühesten noch erhaltenen Hadithwerke, die Muwatta (hierzu erscheint ein gesonderter Artikel, in scha Allah).

Als Besonderheit der medinensischen Schule - und später der Malikiten - gilt die Berücksichtigung der Praxis von Medina. Dieses Prinzip galt jedoch nur zu Zeiten der Sahaba und der Folgegeneration, da die Gelehrten Medinas - wie bereits erwähnt - wussten,  welche Regeln zuletzt aufgehoben wurden und somit den letzten Stand der Offenbarung am besten kannten. Somit war die allgemeine Praxis der Gelehrten Medinas ein gewichtiges Argument, das auch von vielen Gelehrten außerhalb Medinas respektiert wurde.

Eine weitere Besonderheit ist der Ausgleich zwischen Ahl al-Hadith und Ahl ar-Ra'î, da beide Schulen in Medina vertreten waren.

Sonntag, 24. April 2011

Die Entwicklung der Rechtsschulen

Die Rechtsschulen sind ein zentrales Thema in der Diskussion deutschsprachiger Muslime. Hier soll ein weiterer Aspekt beleuchtet werden: Wie kam es zu den Rechtsschulen? Wie und warum entwickelten sie sich?
Wie bereits erwähnt, lagen die Anfänge in der Zeit des Propheten - salla Allah alaihi wa sallam. Er erzog seine Gefährten dazu, sich selbständig um Urteilsfindung zu bemühen: Als Mu'adh ibn Dschabal in den Jemen geschickt wurde, fragte ihn der Prophet, wie er dort richten und urteilen werde. Er erwähnte zunächst als Quelle den Koran und die Sunna, doch dann fragte ihn der Prophet - salla Allah alaihi wa sallam: "Und wonach dann?", da entgegnete er: "Ich bemühe mich um ein Urteil.", da erwiderte der Prophet - salla Allah alaihi wa sallam: "Lob sei Allah, der den Gesandten des Gesandten Allahs zum Erfolg führte!" (da'îf - schwach) Auch wenn dieser Hadith schwach ist, so entspricht er dem Konsens der Sahaba und späteren Gelehrten und die Sahaba einigten sich nur auf etwas, wenn es den Richtlinien des Koran und der Sunna entsprach. Zudem belegt dies der in einem früheren Artikel erwähnte Hadith von Banu Quraiza und viele andere Hadithe.
Zudem lässt der Islam in vielen Angelegenheiten (z.B: Handelsrecht, Eherecht) einen weiten Spielraum, indem er nur allgemeine Regeln vorgibt und keine Details erwähnt, um den Islam flexibel und für alle Orte und Zeiten anwendbar zu machen. Zum anderen gibt es mehrere Varianten, die der Prophet - salla Allah alaih wa sallam - praktizierte, am bekanntesten ist das Bittgebet des Taschahhud, aber auch andere Details im Gebet, die verschieden überliefert wuren und darauf schließen lassen, dass vieles auch verschieden praktiziert wurde um einen gewissen Spielraum zu lassen.
Zur Zeit der Sahaba (Prophetengefährten) entwickelten sich die ersten Schulen, da einige Gefährten für ihr Wissen bekannt waren und natürlich die eine oder andere Praxis aus der Sunna bevorzugten, oder bei allgemeinen Regeln aufgrund der Gegebenheiten vor Ort unterschiedlich urteilten.
Und hier zeichneten sich bereits erste Tendenzen zu den zwei großen Schulen ab:
Ahl Arra'y, die die Interpretation und Übertragung bevorzugten.
Ahl Al-Hadith, die den Wortlaut der Offenbarungstexte bevorzugten.
Doch bedeutet dies nicht, dass hier zwei Extreme existierten, es waren vielmehr Tendenzen, dass etwa Umar ibn Al-Chattab - radi Allah anh - eher zur Interpretation neigte, aber dennoch in vielem am Wortlaut festhielt, ebenso Abdullah ibn Mas'ud - radi Allah anh.

Nach dieser Periode begann die Zeit der Tabi'un und kurz darauf mit Abu Hanifa die Zeit der vier Imame. Sie selbst verstanden sich nicht als Gründer von Rechtsschulen, sondern sahen sich in der Tradition ihrer Lehrer, deren Schule sie übernahmen. Nur waren diese vier Imame - Abu Hanifa, Malik ibn Anas, Muhammad as-Schafi'i und Ahmad ibn Hanbal - so berühmt und sammelten so viel Wissen, dass ihre Methodologie viele Schüler hatte und die Jahrhunderte überlebte.

Die Imame hatten herausragende Schüler, die das Wissen niederschrieben und verbreiteten, vor allem die Fatwas wurden von den Schülern gesammelt, da die Imame selbst dies nicht wollten, weil sie ihre Meinung nicht als bindend ansahen.

Die Schüler fügten viele Meinungen hinzu, die Rechtsschulen hatten sich noch nicht geformt und der Idschtihad war noch offen. Doch bereits nach kurzer Zeit begann man den Idschtihad auf diese Schulen zu beschränken. Andere Schulen, wie die von al-Awza'i und al-Laith ibn Sa'd etwa, wurden von den vier bekannten Schulen verdrängt, teils wegen der großen Ähnlichkeit, teils wegen der schwindenden Zahl an Anhängern.

Die Epoche der Sammlung
Ab etwa dem 3. bzw. 4. Jahrhundert der Hidschra begann die gründliche Erforschung der vier Rechtsschulen, die Sammlung aller Fatwas und die Erforschung der Methodologie (Usul) jeder Schule. Der Idschtihad begann sich allmählich auf den Idschtihad innerhalb einer dieser Schulen zu beschränken, die letzte selbständige Schule von at-Tabari fällt noch in diese Zeit.

Die Epoche der Auswertung
Ab dem 4. bzw. 5. Jh. n. H. begann die absolute Beschränkung auf die vier Rechtsschulen, die nun alle anderen Schulen verdrängt hatten. Es gab die Gegenbewegung der Zahiriten, die nach Dawud az-Zahiri eine neue Schule gründeten, die den Qiyas ablehnte und extrem am Wortlaut der Offenbarungstexte festhielt, doch konnte sie sich nicht durchsetzen.
In diese Zeit fallen die großen Werke, die versuchten alle vorigen Bücher und die darin enthaltenen Meinungen zu vergleichen und auszuwerten, um eine gängige Richtlinie für die jeweilige Schule zu erarbeiten. Diese Werke sind bis heute die Standardwerke der Rechtsschulen und schlossen somit weitgehend den Idschtihad innerhalb der Rechtsschulen ab. Mit dem 7. Jh. war dieser Prozess abgeschlossen und es begann die nächste Epoche:

Die Epoche der Erstarrung
Ab dieser Epoche wurden nur vergangene Werke kommentiert, in Lerngedichten zusammengefasst oder Glossen verfasst. Die vorigen Gelehrten hatten in diesen 600 Jahren alle möglichen Themenbereiche des Fiqh so gründlich erforscht, so dass man sich ausschließlich auf Fatwas in neuen Problemen konzentrierte und sich dabei auf die großen Werke der vorigen Epochen stützte. Oft griffen die Muftis nur auf die Bücher der eigenen Rechtsschule zurück, oder auf mehrere Schulen, aber sie leiteten nicht mehr direkt aus Koran und Sunna Urteile ab.

Die Epoche der Renaissance
Seit dem 19./20. Jh. begannen neue Versuche, den Idschtihad zu beleben und direkt auf Koran und Sunna zurückzugreifen. Leider wurde bei dieser Bewegung oft die Meinung der Rechtsschulen in den Wind geschlagen und man war der Meinung, die Authentizität der Quelle sei das alleinige Kriterum für die Gültigkeit und Richtigkeit einer Meinung. Neuere Tendenzen zeigen jedoch eine allmähliche Rückkehr zum Studium der Rechtsschulen.

Freitag, 1. April 2011

Wie erkenne ich ob mein Iman stark ist?

Der Iman steigt und sinkt, dies wissen die meisten Muslime. Und oft sagt hört man jemanden sagen: "Mein Iman ist heute schwach", oder: "Mein Iman ist heute stark". Doch woher wissen wir dies?
Woher können wir wissen, ob unser Iman gerade stark oder schwach ist? Gehört nicht der Iman zum Verborgenen, das wir nicht sehen und nicht messen können?
Die Antwort liegt auf der Hand: Der Iman steigt durch fromme Taten und sinkt durch Sünden. Doch verwechseln viele ein gutes Gefühl im Herzen mit starkem Iman. Das Gegenteil hat seine Berechtigung: Wer sich schlecht fühlt, vielleicht gar depressiv ist, der hat eine Imanschwäche, denn wer einen starken Iman hat, der kann nicht depressiv sein.
Doch auch Trauer kann ein Zeichen von Iman sein: Der Prophet (salla Allah alaihi wa sallam) sagte: "Wenn ihr wüsstet, was ich weiß, lachtet ihr wenig und weintet ihr viel."
Doch darf diese Trauer keine Verzweiflung sein, es ist vielmehr die Trauer um das Schicksal vieler Menschen, die den Weg der Barmherzigkeit nicht erkennen.
Verzweiflung und Angst vor der Zukunft hingegen ist ein Zeichen schwachen Imans, denn wer versteht, dass alles in den Händen Allahs liegt, der kann ruhigen Herzen durchs Leben wandeln, denn es kann nur geschehen, was Er bestimmt. Der Prophet (sallah Allah alaih wa sallam) sagte: "Vertrautet ihr wirklich auf Allah, würdet ihr versorgt werden wie die Vögel, die am Morgen leeren Magens ausfliegen und am Abend mit vollem Magen zurückkehren."
Starker Iman ist weitaus schwerer zu erkennen, wenn wir daran denken, dass uns der Satan vorgaukelt, gut zu sein. Der Mensch ist schnell zufrieden, fühlt sich gut und hat zu lachen. Auch viele Anbetungshandlungen müssen nicht unbedingt ein Zeichen von starkem Iman sein: Die Qualität zählt, nicht die Quantität.
Manche Sahaba beteten nicht soviel, aber sie beteten innig. Wer also hundert Reka betet aber in diesen nicht Allahs gedachte, dessen Iman ist schwach und der Satan hat ihn überlistet. Ebenso verhält es sich mit dem Fastenden, der die Leute betrügt und beleidigt.
Und ein sicheres Zeichen für starken Iman ist das Streben nach Wissen in Begleitung von Bescheidenheit und innigen Gebeten, ebenso das Gebet in der Nacht und die Liebe zur Moschee und zu den Muslimen (nicht jedoch aus Geschwätzigkeit und Langeweile). Ein weiteres Zeichen ist die Liebe zum Koran.

Nun stellt sich die Frage: Was kommt zuerst? Die guten Taten oder der starke Iman? Dies ist die Frage nach der Henne und dem Ei: keines kann ohne das Andere existieren.

Montag, 28. März 2011

Wie erkenne ich die Gebetszeiten

Jeden Ramadan fangen die Muslime überall auf der Welt an zu diskutieren, warum man sich nicht auf den Beginn und das Ende des Fastenmonats einigen kann. Der springende Punkt ist neben Nationalismus auch eine islamische Frage: Soll man sich auf die Mondsichtung oder den Kalender verlassen? Hierzu haben sich zahlreiche Gelehrte geäußert und es ist hinlänglich bekannt, dass die Mondsichtung in Hadithen erwähnt wurde und auf jeden Fall die sicherere Entscheidung ist, wobei die Berechnungen mancher islamischer Länder recht genau sind.

Doch verhält es sich bei den täglichen fünf Gebeten nicht anders: Sie werden astronomisch berechnet und jeder akzeptiert dies. Fast jeder, die islamischen Gelehrten, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, warnen vor allem beim Morgengebet davor, sich auf den Kalender zu verlassen. Der Grund: Fast alle Kalender geben eine Zeit an, die viel zu früh ist, das heißt, hielte man sich an den Kalender, würde man außerhalb der Zeit beten.

Woher kommt dieses Problem?
Die Kalender werden von Astronomen berechnet, die sich anscheinend mit den Regeln der islamischen Gebetszeiten nicht wirklich auskennen.
Zum Morgengebet:
Man unterscheidet bei der Dämmerung bei den Astronomen drei Arten: die astronomische, nautische und bürgerliche Dämmerung. Islamisch ist die bürgerliche Dämmerung uninteressant, doch die Unterscheidung zwischen astronomischer und nautischer Dämmerung ist wichtig.
In den Gebetskalendern wird die astronomische Dämmerung angegeben, diese wird in den Hadithen als "trügerische Dämmerung bezeichnet: "Die Dämmerung ist nicht so - wobei der Prophet seine Hände zusammendrückte - sondern so - wobei er seine Arme horizontal ausbreitete." (Buchari, Muslim). Das erste Morgenlicht (Abb: 1) breitet sich vertikal - nach oben hin - aus, und nicht in die Breite, dies ist die astronomische Dämmerung im Gebetskalender. Dann folgt die nautische Dämmerung, bei der - wie im Hadith - das Morgenlicht den ganzen Horizont erkennen lässt. Erst zur zweiten "echten" Dämmerung (Abb: 2) darf man das Morgengebet verrichten. Zwischen den beiden Dämmerungsphasen vergehen je nach Jahreszeit zwischen 15 und 45 min. Hier könnt ihr erfahren, wann bei euch die nautische Dämmerung beginnt, einfach die Stadt eingeben und bei den astronomischen Angaben nach der nautischen Dämmerung suchen. Wer dies nicht wusste, den trifft natürlich keine Schuld, "Allah bürdet keiner Seele mehr auf, als sie zu tragen vermag".
Mit dem bloßen Auge sind diese Dämmerungsphasen nur auf dem Land fernab von Lichtquellen mit etwas Übung zu erkennen.
Das Morgengebet endet mit dem Sonnenaufgang (Abb: 1), dieser ist in den Kalendern recht genau angegeben, meist mit einem Sicherheitsabstand von ca 5 min. In astronomischen Tabellen von Zeitungen und Internetseiten wird jedoch die Zeit angegeben, zu der die Sonne vollständig aufgegangen ist (Abb: 3)

Das Mittagsgebet:
Es beginnt, wenn die Sonne den Zenit - den höchsten Punkt am Himmel - überschritten hat. Dieser Sonnenhöchststand ist je nach Jahreszeit unterschiedlich hoch. Die Kalender geben hier meist eine ziemlich korrekte Zeit an, jedoch immer circa 10 - 15 später. Daher muss man aufpassen, wenn man vorher noch das Duha-Gebet beten möchte.
Achtung: Der Höchststand bedeutet nicht, dass die Sonne keinen Schatten wirft, dies gibt es nur in der tropischen Konvergenzzone (etwa ab Mekka und Assuan), es bleibt ein gewisser Restschatten. Bei uns ist der Sonnenhöchststand (während dieser Zeit darf man nicht beten), wenn der Schatten am kürzesten ist. Zur Berechnung des Nachmittagsgebets braucht man die Länge dieses Schattens zum Sonnenhöchststand.

Das Nachmittagsgebet:
Hier gibt es zwei Meinungen:
1. Mehrheit der Gelehrten: Wenn der Schatten eines Gegenstandes so lang ist, wie er selbst (Abb: 2).
2. Hanafiten: Wenn der Schatten doppelt so lang ist, wie der Gegenstand selbst (Abb: 3).
Doch muss man bedenken, dass ja zum Sonnenhöchststand ein kleiner Rest an Schatten verbleibt, diesen Rest muss man natürlich addieren.
Beispiel:
Ein Gegenstand ist 20 cm lang, zum Sonnenhöchststand bleibt ein Schatten von 2 cm.
Das heißt, dass das Nachmittagsgebet beginnt, wenn der Schatten so lang ist wie er selbst + Restschatten, das heißt 20 Länge + 2 cm Restschatten = 22 cm.
Nach der Meinung der Hanafiten wären es: 2 x 20 cm (doppelt so lang) + 2 cm (Restschatten) = 42 cm.

Die meisten Gebetskalender im deutschsprachigen Raum werden von türkischen Moscheen herausgebracht, weshalb die hanafitische Rechnung zugrunde liegt. Das heißt, nach der Meinung der Mehrheit darf man bereits früher beten und darf dementsprechend auch das Mittagsgebet nicht so lange hinausschieben.

Das Abendgebet:
Zum Abendgebet gibt es keine Probleme: Die Kalender sind relativ genau, sie addieren meist 5 oder 10 min aus Sicherheit. Das Abendgebet beginnt, wenn die Sonnenscheibe vollständig untergegangen ist (Abb: 6). Hier ist bei astronomischen Tabellen in Zeitungen und Internetseiten Vorsicht geboten: Die angegebene Zeit bezieht sich auf den Beginn des Sonnenuntergangs, also sobald die Sonnenscheibe den Horizont berührt (Abb: 4). Diese Zeit gehört islamisch gesehen zur verbotenen Zeit.


Das Nachtgebet:
Das Nachtgebet beginnt, sobald die Abendröte (Abb: 2) vollständig verschwunden ist. Betrachtet man den Himmel nach Sonnenuntergang, stellt man fest, dass dort, wo die Sonne untergegangen ist, zuerst ein orange-gelbes Licht bleibt, das immer dunkler wird, bis es sich rot färbt, dann wird der Lichtrest immer kleiner und färbt sich lila. Man muss nicht nur das Ende des roten Anteils der Dämmerung (Abb: 1) abwarten, sondern auch das Verschwinden des lila Anteils (Abb: 2). In den meisten Kalendern ist eine weit spätere Zeit angegeben.

Dienstag, 22. März 2011

Wie finde ich die Qibla

Die Qibla, die Gebetsrichtung, ist eine der Vorraussetzungen für die Gültigkeit des Gebets. Doch wie findet man die Qibla heraus?
Grundsätzlich ist zu sagen, dass eine minimale Abweichung um wenige Grade nichts ausmacht, solange man sich bemüht und nicht nachlässig ist.

1. Für zu Hause:

a) Die sicherste Methode ist das Internet, und zwar über die Webseite Qiblafinder, indem man seine Straße und seinen Wohnort eingibt und auf die Richtung im Kompass unten schaut. So sieht man ganz genau den Winkel zur Hauswand und weiß, in welche Richtung man beten muss.

b) Der Kompass: Hier hat man mehrere Probleme, die oft nicht berücksichtigt werden:
- Die Magnetnadel wird durch elektrische Felder abgelenkt, zum Beispiel durch Steckdosen, elektrische Geräte, Stromleitungen, Oberleitungen von Straßenbahnen etc. Somit muss man den Kompass an mehreren Stellen anpeilen, von denen man ausgeht, dass keine elektormagnetischen Felder vorhanden sind.
Dies vergleicht man auf der Straße nochmals, allerdings sollte man nicht neben einem Auto oder unter einer Stromleitung stehen.
- Der magnetische Nordpol stimmt nicht mit dem echten Nordpol überein, er weicht um etwa fünf Grad ab.
- Es ist nicht leicht den genauen Grad der Qibla für den jeweiligen Ort zu bestimmen, da bei Tabellen unter Umständen die Abweichung des Magnetpols vom Nordpol nicht berücksichtigt wurde.

c) Man wohnt in der Nähe einer Moschee und vergleicht die Qibla von dort aus.
Dies ist in Europa eher selten, außerdem ist davon abzuraten, da leider einige Moscheen nicht auf die Qibla achten und diejenige Wand im Gebäude als Gebetsrichtung wählen, die der Qibla am nähesten kommt. Dies kann erheblich von der Qibla abweichen, in einigen Fällen sogar bis zu 70 Grad, wenn aus architektonischen Gründen die Gebetsrichtung anders gewählt wurde (ich habe dies selbst schon festgestellt).

2. Im Freien
a) Mit dem Kompass (siehe oben)
b) Orientierung nach der Sonne
Dies erfordert Erfahrung: generell gilt: Die Sonne geht im Osten auf und im Westen unter, mittags steht sie im Süden, allerdings muss man in den Zeiten dazwischen abschätzen, wie weit die Sonne ihre Position geändert hat. Außerdem weicht die Position der Sonne je nach Jahreszeit ab.
Man muss die Sonne einige Zeit beobachten, um ihre Bewegung zu bestimmen.
Morgens bewegt sie sich vom Osten nach Süden, nachmittags vom Süden nach Westen. Hat man eine Himmelsrichtung so geschätzt, kann man die anderen Himmelsrichtungen ermitteln und somit auf Süd-Süd-Ost, der ungefähren Qibla, schließen. Hat man keine andere Möglichkeit, bleibt einem nur diese Schätzung.
c) Orientierung nach der Wetterseite von Bäumen
Relativ freistehende Bäume haben eine Wetterseite, das heißt eine Seite am Stamm, an der mehr Moos und Flechten wachsen. Dies kommt daher, weil der Wind meistens aus einer Richtung weht und somit der Regen auch aus dieser Richtung den Baum befeuchtet, in Deutschland meist aus dem Westen. Man muss mehrere Bäume vergleichen, die Seite mit dem meisten Moos entspricht etwa der Westseite. Anschließend kann man die anderen Himmelsrichtungen und somit die Qibla abschätzen. Zur Sicherheit sollte man dies mit der Sonnenposition vergleichen.
d) In Städten und Dörfern:
- Kirchen, vor allem alte Kirchen, sind geostet: Der Kirchenchor (also gegenüber vom Kirchtum im Gebäude) zeigt meist nach Osten.
- Manche alte Häuser haben Windfahnen. Weiß man, woher der Wind weht, hat man die entsprechende Himmelsrichtung. Manche dieser Windfahnen haben sogar ein Kreuz mit den Himmelsrichtungen.
- Manche Häuser haben Sonnenuhren, diese sind immer auf der Südseite angebracht.
e) In der Nacht kann man sich am Nordstern orientieren, den man über das Sternbild des Wagens (Bärs) findet. Wer ihn nicht kennt, kann das im Google eingeben und findet viele Erklärungen wie man ihn findet. Allerdings ist dies in Mitteleuropa schwer, da es zu oft in der Nacht bewölkt ist und weil das Stadtlicht diese Sterne oft nicht erkennen lässt.

3. Hat man eine Landkarte (ADAC Atlas, etc), kann man ganz einfach über die Positionsbestimmung die Qibla ermitteln. Ich erwähne dies, weil man oft nicht daran denkt, obwohl man eine Karte dabei hat. In Straßenatlanten sind die Raststätten vermerkt, man kann die Straßenrichtung erkennen und mit der Karte vergleichen.

Samstag, 5. März 2011

Was ist eine Rechtsschule - Madhhab?

Über Rechtsschulen wird viel diskutiert, doch scheint es einige Missverständnisse über dieses Thema zu geben. Daher ist es zunächst sinnvoll zu wissen, was eine Rechtsschule überhaupt ist. Anschließend wäre zu klären, warum es Rechtsschulen gibt und wozu sie dienen. Die Frage, ob man einer Rechtsschule angehören sollte oder nicht, müssen die Gelehrten klären, hierzu werde ich in einem weiteren Artikel die verschiedenen Meinungen der Gelehrten sammeln, in scha Allah.

Was ist eine Rechtsschule?
Eine Rechtsschule (ar. مَذْهَبٌ = Weg) ist eine Methodenlehre zur Urteilsfindung, das heißt eine Methode, wie man mit den islamischen Quellen umgeht und wie man daraus Regeln ableitet. Somit ist der Begriff Rechtsschule eng mit der Wissenschaft des Usul al-Fiqh verbunden.
Die Fatwas einer solchen Schule sind nicht ausschlaggebend für den Charakter einer Madhhab, sondern die Grundlagen, die hinter diesen Fatwas stecken. Daher ist es nicht sinnvoll über Rechtsschulen zu diskutieren, indem man einzelne Fatwas einzelner Vertreter dieser Schulen anführt, sondern indem man sich mit den Prinzipien auseinandersetzt.
Meistens beschäftigen sich diese unterschiedlichen Methoden mit dem Umgang mit Hadithen und den Aussagen der Sahaba und Tabi'un, sowie einigen besonderen Rechtsquellen. Alle Schulen sind sich einig, dass der Qiyas - der Analogieschluss - zulässig und anzuwenden ist. Die Unterschiede beruhen eher darauf, wie man mit schwachen Hadithen umgeht und ob man den Qiyas oder die Fatwas der Sahaba und Tabi'un diesen schwachen Hadithen vorziehen soll.
Somit basieren die meisten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Rechtsschulen auf unterschiedlichen Gewichtungen und Bewertungen einzelner Quellen. Hierzu zwei Beispiele:
1. Der Hund ist bei den Malikiten nicht unrein. Die Malikiten begründen dies folgendermaßen:
a) Es gibt keinen direkten eindeutigen Text, der den Hund für unrein erklärt. Vielmehr beziehen sich die anderen Schulen auf den Hadith aus Buchari und Muslim: "Wenn der Hund aus einem eurer Gefäße trinkt, so wascht es siebenmal aus!", sowie dem allgemeinen Verbot, Raubtiere zu verzehren.
b) Zudem gibt es Hadithe, die verbieten Hunde grundlos zu Hause zu halten. Die Mehrheit der Gelehrten schloss daraus, dass der Hund unrein sein muss. Die Malikiten jedoch meinen, dass dies einzelne Regeln sind.
c) Man muss zwar das Gefäß reinigen, aus dem ein Hund trank, doch muss man nicht das Tier - bzw. die Einbissstelle - reinigen, das ein Jagdhund riss, obwohl ja in beiden Fällen der Speichel des Hundes im Spiel ist. Somit ist laut den Malikiten der Hadith über das Reinigen von Gefäßen ein Sonderfall, der zu befolgen ist, aber nicht mit ähnlichen Fällen verglichen werden kann.
d) Es ist verboten das Fleisch von Raubtieren zu verzehren, doch gilt das lebende Tier nicht als unrein. Das Verbot Hunde im Haus zu halten beweist nicht, dass Hunde unrein sind.

2. Die Hanafiten heben vor und nach dem Ruku' sowie nach dem ersten Taschahhud die Hände nicht. Sie begründen dies damit, dass es zwei Überlieferungen gibt, die eine erwähnt, dass der Prophet (salla Allah alaih wa sallam) dies tat, und die andere, dass er es nicht tat. Die Hanafiten wenden in solchen Fällen die Regel an, dass die Überlieferer vorzuziehen sind, die mehr Wissen über Fiqh hatten. Da die Überlieferer des Hadithes, der besagt nicht die Hände zu heben, bekannter für ihr Wissen über Fiqh waren, ziehen die Hanafiten diese Überlieferung vor und lehnen die andere ab.

Warum gibt es Rechtsschulen?
Die Wurzeln der Rechtsschulen gehen auf die Zeit des Propheten (salla Allah alaih wa sallam) zurück. Er betonte, dass es nicht nur eine richtige Meinung gibt und lehrte seine Gefährten sich eigenständig um die Urteilsfindung zu bemühen.
Ein bekanntes Beispiel ist der Hadith: "Ihr dürft das Nachmittagsgebet erst beten, wenn ihr bei Banu Quraiza angekommen seid.", dies geschah nach der Grabenschlacht, als der Prophet gegen den Stamm Banu Quraiza auszog und dies sagte. Die Gefährten zogen los. Als die Sonne knapp über dem Horizont stand, wollten einige beten, weil sie sagten, die Anordnung des Propheten (salla Allah alaih wa sallam) sei eine Aufforderung zur Eile, doch der Befehl Allahs, das Gebet zu seiner Zeit zu verrichten, muss eingehalten werden. Die anderen meinten, man müsse auf die Worte des Propheten (salla Allah alaih wa sallam) hören und sie genau befolgen. Als sie später beim Propheten (salla Allah alaih wa sallam) ankamen, trugen sie diese Meinungsverschiedenheit vor, er gab beiden Gruppen recht (Buchari 946, 4119, Muslim 1770).
Dieses Beispiel zeigt zwei verschiedene Grundmethoden: Die Befolgung des Wortlauts - eine Methode, die später als Ahl al-Hadith bekannt wurde - und die Anwendung des Qiyas beim Vergleich zweier sich offensichtlich widersprechenden Anweisungen - diese Methode begründete die Schule namens Ahl ar-Ra'i.
Aus diesen zwei Strömungen entstanden die uns heute bekannten vier Rechtsschulen, wobei jede Schule kein reiner Vertreter einer dieser Grundströmungen ist, sondern eine Mischung mit Tendenzen zur einen oder anderen Methode. An der Bestätigung des Propheten (salla Allah alaih wa sallam) kann man erkennen, dass keine Methode der anderen überlegen ist, sondern dass es sich um Grundelemente des menschlichen Denkens handelt und dass immer Menschen zur einen oder anderen Methode neigen. Durch diese Toleranz des Propheten (salla Allah alaih wa sallam) konnte das Fiqh so lange dynamisch bleiben und trotz Meinungsverschiedenheiten eine Spaltung der Muslime verhindern. Erst durch den Fanatismus entstand das Problem, das dazu führte, dass sich Rechtsschulen anfeindeten und sich nicht mehr akzeptierten.

Wozu dienen Rechtsschulen? Spalten sie die Umma?
Die Rechtsschulen selbst sind - wie man am obigen Hadith erkennen kann - keine unnötige Spaltung der muslimischen Gemeinschaft, sondern der Geist des Pluralismus und der Toleranz im Islam, auch wenn es immer Muslime geben wird, die diese Toleranz nicht sehen wollen, weil Menschen eben Menschen sind. Der Fanatismus für und gegen Rechtsschulen ist es, der die Muslime spaltet.
Da eine Rechtsschule eine Methode zur Urteilsfindung ist, wird es immer Rechtsschulen geben, eine Bindung an eine der vier Rechtsschulen ist historisch bedingt, früher gab es mehrere solcher Schulen, die jedoch untergegangen sind, weil sich die heute bekannten viel stärker ausbreiteten. Auch wer die Madhhabs ablehnt, folgt schlussendlich anderen Gelehrten - und somit deren "Rechtsschule", außer er ist ein unabhängiger Mudschtahid.
Ausblick:
In neuen Problemen, die durch Fortschritt und Technik oder andere Kulturen bedingt sind, besteht absolute Einigkeit, dass man sich um ein neues Urteil - also um Idschtihad - bemühen muss. Daher gibt es auch Idschtihad im Fiqh in unserer Zeit.
Doch stellt sich die Frage, ob man in den Ibadat, die ja bekanntlich unveränderlich sind, lieber den Gelehrten folgen sollte, die damals lebten, oder dem Idschtihad zeitgenössischer Gelehrter folgen soll. (Fortsetzung folgt)

Freitag, 14. Januar 2011

Der tiefere Sinn der Gebetswaschung

Mit der Waschung zum Gebet reinigt man sich vom Schmutz und tritt gereinigt vor seinen Herrn. Die Gebetswaschung besitzt einen materiellen und immateriellen Aspekt:

Der materielle Aspekt ist die Reinheit des Körpers, inbesondere der Gliedmaßen, die für die Anbetungshandlung verwendet werden.

Der immaterielle tiefgründigere Aspekt ist die Läuterung des Herzens vom Schmutz der Sünden und dessen Verunreinigungen durch reumütige Rückkehr zu Allah. Deswegen erwähnt Allah - der Erhabene - die Reue und die Reinigung in folgendem Vers zusammen:

"Wahrlich Allah liebt die stets Reumütigen und die sich stets Reinigenden." (Sure 2:222)

Samstag, 8. Januar 2011

Zuhd - Askese

Zuhd ist Bescheidenheit und Weltentsagung. Diese hohe Stufe des Iman erreicht nur, wem es gelingt das Weltliche weder zu lieben noch zu hassen "Und dies erreichen nur jene, die sich geduldeten, und dies erreicht nur, wer Großartiges erlangt." (Koran)
Liebe und Hass sind Ausdruck der Befangenheit, diese beiden Emotionen zeigen, dass den Menschen eine Angelegenheit sehr beschäftigt. Manche wähnen, Zuhd bedeute das Diesseits zu hassen, doch weit gefehlt! Hass zeigt doch nur, dass der Mensch an etwas denkt und dass ihn der Gegenstand seines Hasses einnimmt.

Das Diesseits ist aber auch der Ackerboden für das Jenseits, wer hier zu säen weiß, wird ernten: "Wer sagt: Subhân Allah wa bihamdihi - Makellos ist Allah und ihm ist das Lob - dem wird im Paradies eine Palme gepflanzt." (Tirmdhi, hasan-sahih). Doch reichen bloße Worte nicht aus, der Muslim muss verinnerlichen, was er sagt. Man sagt: "Der Mensch hat vom Gebet nur, was er davon bewusst wahrgenommen hat."