Samstag, 10. Dezember 2011

Ahkâm Schar'iyya - Warum unterteilt man die Handlungen in helal und haram?

Die Kategorisierung der Handlungen aus islamischer Sicht ist ein wichtiger Bereich der Wissenschaft Usûl al-Fiqh. Wer weiß, nach welchen Prinzipien man jede Handlung eines Muslims nach islamischen Regeln beurteilen kann, hat nützliches Wissen für den Alltag erworben.

Hier gibt es zwei verschiedene Arten der Kategorisierung:
1) Ahkâm schar'iyya (أحكام شرعية)
2) Ahkâm wad'iyya (أحكام وضعية)
Es handelt sich hierbei jedoch nicht um die islamischen Regeln im Gegensatz zu den säkularen - beide Begriffe werden in anderem Zusammenhang tatsächlich so verstanden - sondern um zwei Betrachtungsweisen zur Kategorisierung:
Die Ahkâm schar'iyya kategorisieren die Handlungen hinsichtlich der Frage, wie diese Handlung selbst beurteilt wird.
Die Ahkâm wad'iyya kategorisieren die Handlungen hinsichtlich der Frage der Auswirkung bzw. Konsequenz.

Die Ahkâm wad'iyya sind:
verpflichtend - empfohlen - neutral - unerwünscht - verboten

Die Hanafiten und einige Hanbaliten unterscheiden weiterhin die Pflicht und das Verbot nach der Beweiskraft:
Pflichten, deren Beweis als mutawâtir gilt, nennt man Fard. Wer solche Pflichten wissentlich leugnet, gilt als Nichtmuslim.
Pflichten, deren Beweis âhâd (d.h. nicht mutawâtir) ist, nennt man wâdschib. Wer solche Pflichten aufgrund anderer Beweise ablehnt, ist trotzdem Muslim.
Daher sprechen die Hanafiten von sieben Kategorien:
Fard - wâdschib - mustahabb - halâl - makrûh - makrûh tahrîman - harâm
Fard und Harâm basieren auf Beweisen, die mutawâtir sind, also in jeder Generation von so vielen überliefert wurden, dass eine Einigung auf eine Fälschung auszuschließen ist.
Wâdschib und Makrûh tahrîman sind zwar bindend, basieren aber auf Beweisen, die nicht mutawâtir sind.
Zurück zu den Kategorien der Mehrheit der Gelehrten:
Fard (Pflicht) - mustahabb (Empfehlung) - mubâh (neutral) - Makrûh (Verpöhntheit) - Harâm (Verbot)

Generell lassen sich diese fünf Normen weiter vereinfachen:
Man spricht von Anordnung und Neutralität.
Die Anordnung kann positiv (Befehl) oder negativ (Verbot) sein (positiv hier im Sinne von bejahend, negativ im Sinne von verneinend). Das heißt, Allah fordert auf etwas zu tun (Befehl, Empfehlung) oder Er fordert auf, etwas zu unterlassen (Verbot, Unerwünschtheit).

Die Anordnung kann bindend (Befehl/Verbot) oder nicht bindend (Empfehlung/Unerwünschtheit) sein. Eine Empfehlung ist zum Beispiel nicht bindend, weil man sich nicht daran halten muss.

Demzufolge ist die Pflicht: eine positive Anordnung, die bindend ist.
Oder anders formuliert: Wer die Pflicht ausführt, wird belohnt, wer sie unterlässt, wird bestraft.
Wäre die Pflicht nicht bindend, gäbe es bei Unterlassen keine Strafe (im Jenseits).
Ein Verbot ist: eine negative Anordnung, die bindend ist.
Anders gesagt: Wer das Verbot ausführt, wird bestraft, wer es absichtlich unterlässt, wird belohnt.
Eine Empfehlung ist: eine positive Anordnung, die nicht binden ist.
Anders formuliert: Wer eine Empfehlung ausführt, wird belohnt, wer sie unterlässt, wird nicht bestraft.
Eine verpöhnte Handlung ist eine negative Anordnung, die nicht bindend ist.
Anders gesagt: Wer Verpöhntes ausführt, wird nicht bestraft, wer es absichtlich unterlässt, wird belohnt.
Eine neutrale Handlung wird nicht isoliert beurteilt, sondern im Zusammenhang mit der Absicht, die hinter der Handlung steht:
Essen ist neutral (mubâh), kann aber verboten (Schadstoffe) oder verpflichtend (Lebensrettung) werden.